Menschen, die mit einer futuristisch anmutenden Brille vor einer Maschine stehen und dabei mit der Hand seltsame Bewegungen in der Luft machen: Was vor wenigen Jahren noch eine Szene aus einem Science-Fiction-Film gewesen wäre, ist in einem Unternehmen in Hemer inzwischen Realität. Bei der Firma Silgan Dispensing Systems wird seit rund einem Jahr getestet, wie eine HoloLens-Brille im Produktionsalltag integriert werden kann, um die Instandsetzung und Wartung von Maschinen zu vereinfachen. Inzwischen ist die Test- und Einführungsphase abgeschlossen. Silgan-Geschäftsführer Sven-Uwe Höhm und Michael Bräutigam, Leiter der IT-Abteilung, sind überzeugt, einen weiteren Meilenstein in Richtung Industrie 4.0 bewältigt und gleichzeitig eine Möglichkeit gefunden zu haben, den Fachkräftemangel abzufedern.
Da ein solches Entwicklungsprojekt nicht allein mit den betriebsinternen Ressourcen zu stemmen war, suchte Silgan die Unterstützung des Transferverbunds Südwestfalen. Technologiescout Andreas Becker stellte den Kontakt zu Prof. Dr. Christian Leubner her, der sich im Rahmen seiner Forschungen bereits intensiv mit der noch jungen Technologie der HoloLens beschäftigt hat und nun das Projekt auf wissenschaftlicher Seite betreut. Im Hauptberuf ist Leubner Professor für Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Südwestfalen. Meike Wagner, die Wirtschaftsingenieurwesen studiert, hat ihr Praxissemester in der IT-Abteilung von Silgan absolviert und arbeitet inzwischen als Werkstudierende gemeinsam mit Michael Bräutigam daran, die HoloLens für den Betriebsalltag zu optimieren. Geplant ist, dass sie auch ihre Bachelor-Arbeit zu diesem Thema schreibt. Dass Studenten bei Silgan zum Einsatz kommen, ist nicht neu, aber für die IT-Abteilung handelt es sich um eine Premiere, betonen Höhm und Bräutigam.
Nach rund einem Jahr ist die Test- und Einführungsphase nunmehr abgeschlossen. Alle Beteiligten sind vom Ergebnis überzeugt – und die ersten Silgan-Mitarbeiter sind bereits im Umgang mit der HoloLens-Brille vertraut. Diese bietet dem Nutzer als sogenannte Mixed-Reality-Brille die Möglichkeit, in der realen Umgebung – in diesem Fall die zu wartende Maschine – eine zusätzliche virtuelle Oberfläche darzustellen. Mittels QR-Code identifiziert die Brille, um welches Einsatzgebiet es sich handelt, und durch die Linse sieht der Nutzer dann die entsprechende App, für deren Bedienung er seine Hände wie eine Computer-Maus einsetzen kann. Der Vorteil, im Vergleich zum Beispiel zu einem Tablet, liegt nicht nur darin, dass der Bediener beide Hände frei hat, sondern auch darin, dass die „mixed reality“ der Linse die Umgebung integriert. Das heißt, Linien zeigen dem Nutzer, wohin er sich bewegen muss, Schalter, die er an einer Maschine betätigen muss, werden – nur für ihn durch die Linse sichtbar – mit einer auffälligen roten Umrandung markiert. So wird jeder Schritt für Schritt durch die Wartung einer Maschine geführt. Ein umfangreiches technisches Vorwissen ist nicht zwingend erforderlich.
Geschäftsführer Sven-Uwe Höhm sieht im Einsatz der HoloLens auch einen möglichen Beitrag, dem Fachkräftemangel zu begegnen. Dadurch, dass die Mixed-Reality-Brille dem Bediener einer Maschine eine genaue Anleitung bietet, was er wann überprüfen und welche Knöpfe er drücken muss und ihn sogar direkt dahin führt, müssten – so die Idee – komplizierte Maschinen im Betriebsalltag nicht mehr unbedingt ausschließlich von hochqualifizierten Fachkräften gewartet werden. Das würde deren Kapazitäten für andere Aufgaben freisetzen, während gleichzeitig Arbeitsplätze für Menschen mit geringeren Qualifikationen erhalten oder geschaffen werden. Höhm nennt das Projekt „HoloMaintain“ eine Initialzündung in Richtung Industrie 4.0, das für andere Silgan-Niederlassungen weltweit Modellcharakter haben könnte.
Silgan-Geschäftsführer Sven-Uwe Höhm, Michael Bräutigam, Leiter der IT-Abteilung, Prof. Dr. Christian Leubner und Werksstudierende Meike Wagner ziehen Bilanz eines erfolgreichen Projekts.
Die HoloLens im Einsatz an einer der Spritzgussmaschinen in der Silgan-Fertigung: Nur Mitarbeiter Jan Schuntermann sieht durch die Linse die Applikationen, was seine Bewegungen für den Beobachter mitunter seltsam aussehen lässt.
Fotos: Bettina Görlitzer
Ansprechpartner:
Transferverbund Südwestfalen
Herr Andreas Becker
Telefon: 02352 9272–19
E‑Mail: becker@transferverbund-sw.de
www.transferverbund.de
Um Unternehmen einen schnelleren und direkten Zugang zu den richtigen Ansprechpartnern aus Forschung und Hochschullandschaft zu ermöglichen wurde der „Transferverbund Südwestfalen“ gegründet. Neben der GWS engagieren sich viele Institute und Einrichtungen mit Kompetenzen bei technologischen und innovativen Fragestellungen für dieses Projekt.